Frugale Entgleisungen
Fotoausstellung von Manfred Arntz

Liebe Mitbesucherinnen und Besucher der Ausstellung,
sicher werden Sie sich in diesem Raum gleich angesprochen gefühlt haben. Die Farben, das Licht, die Motive...Die Motive? Stein, Blüte, Frucht...An sich hätte man meinen können, es ist nichts Aufregendes.
Aber doch! Diese Naturelemente sind hier so realistisch dargestellt, dass die Realität transzendiert wird. Diese schamlos gezeigte Intimität der Blüte, der Frucht, ja sogar des Steins weist mit einem Schlag auf alles hin, was über die Realität hinausgeht, und zwar auf uns, mit allen unseren Sinnen. Das Fleischige, das feucht Gefaltete, das Rosige, das Haarige, das Bebende, das alles springt einem ins Gesicht, ohne Rücksicht. Wir sehen alles, wie die Kinder stolz und geniert sagen "Ich habe alles gesehen!!" Und das Wunderbare ist, dass dieses Enthüllte gleichsam sanft, zerbrechlich, sensibel und unendlich schön ist.
Manfred Arntz bedient sich der hochentwickelten Technik, um das zu zeigen, was das menschliche Auge mit den Grenzen seiner Fähigkeit nur ahnen könnte.
Vor den Bildern von Manfred Arntz habe ich mich auch gefragt: Woher kommt die Faszination der Botanik? Warum träumt man vor einer abgebildeten Pflanze, einer Rose, einer Lilie, ob...Vulgus oder mit lateinischem Namen versehen...Warum presst man so gerne ein Blatt und man hebt es auf, man klebt es und schreibt sorgfältig den Namen, möglichst noch mit der Hand? Warum hat Napoleon unzählige Botaniker und Zeichner mit nach Ägypten mitgenommen, die mit vollen Mappen zurückkehrten? Wissenschaftliches Interesse, ja, Lust am Registrieren, Klassifizieren, einordnen, die Welt verstehen? Guckt man diese Zeichnungen heute im Museum an, sieht man rührende Nature morte, Stilleben mit Geheimnis. Manfred Arntz gibt uns mit technischer Perfektion diese Faszination wieder. Die Pflanze, blaß oder prachtvoll steht vor uns da und erwartet unsere Intelligenz, die ihrerseits mit Sinnen anfängt, um entschlüsselt zu werden. Fragen, die sich bei jeder Antwort nur vermehren.
Die Naturelemente, die sich in diesem Raum anbieten, lassen uns nicht in Ruhe. Man möchte sie streicheln, riechen, schmecken, eine Fülle von Eindrücken ergänzt die visuellen Reize, diese Bilder sind Poesie, sie stellen eine Brücke zwischen uns Menschen und den "confuses paroles", die die Natur liefert, um mit Baudelaire zu sprechen. Die Bilder vermitteln zwischen uns und der Natur aber vielmehr noch zwischen den vielen Seiten unserer Imagination.
Paradoxerweise leben diese Bilder sowohl aus sich heraus wie aus dem, was wir nicht sehen können, sondern imaginieren. Das wesentliche liegt nicht im Visuellen.
Dabei verliert das zur Schau gestellte nichts von seinem Geheimnis.
Das ist ein Kunststück. Das ist Kunst!

Francoise Herbin, Vorsitzende der dt.-frz. Gesellschaft